Du wirst entführt.
Die einzige Bedingung, um freigelassen zu werden: Du musst deinem Entführer erklären, was eine Gitarre, die du zufällig dabei hast, ist und kann.
Was wirst du tun?
Erklärst du ihm, dass es ein Stück Holz mit aufgespannten Saiten ist, aus denen Töne erklingen?
Oder spielst du einfach etwas und gibst ihm sogar die Gitarre in die Hand, damit er sie selber austesten kann?
Was das alles mit Musiktheorie auf der Gitarre zu tun hat, erfährst du gleich.
Denn, in diesem Artikel gehe ich der Frage nach, ob du Musiktheorie lernen solltest, um gut und frei Gitarre spielen zu können.
Aber der Reihe nach.
Draussen in der Wildnis gibt es zwei verfeindete Stämme:
Die Musiktheorie Fanatiker, die diese Frage mit ja und fünf Ausrufezeichen beantworten würden.
Das entgegengesetze Lager würde dir empfehlen, Musiktheorie wie die Hasenpest zu meiden.
Dieses Lager begründet seine Ansichten meist mit: «Theorie ist der Untergang für deine Kreativität.»
Oder: «Jimi Hendrix konnte auch keine Theorie»
Einspruch euer Ehren!
Der gute Jimi wusste mehr als dir lieb ist, aber das ist eine andere Geschichte.
Dennoch, um zu wissen, ob du Musiktheorie lernen solltest, müssen wir zunächst klarstellen, für was Musiktheorie da ist.
Was bringt dir Musiktheorie?
Wir begegnen tagtäglich dutzenden von Regeln.
Beim Fussball, beim Vier Gewinnt, gesellschaftliche Regeln.
Ohne diese Regeln zu kennen, wird es schwierig sein mitzuspielen.
Aber jetzt kommt’s.
Musik ist nicht, wie ein Sport oder Brettspiel, wo wir die Regeln befolgen müssen, um überhaupt mit von der Partie sein zu können.
Halten wir fest: Um auf deiner Gitarre zu spielen, benötigst du keine Theorie oder Regeln.
Wieso?
Weil, nicht eines Morgens plötzlich jemand aus dem Bett gefallen ist und entschieden hat, dass ab sofort diese Regeln für das Musikmachen gelten.
Menschen machen seit tausenden von Jahren Musik.
Irgendwann fragten sie sich: Wieso klingt das eigentlich so gut?
So begannen sie die Logik hinter der Musik zu hinterfragen.
Musiktheorie schreibt nicht vor, sie beschreibt die Musik.
Sie gibt dir Einblick, wieso die Töne gut zusammen klingen und wieso manche nicht.
Musiktheorie ist, also, deskriptiv, nicht präskriptiv.
Dasselbe Prinzip kennen wir vom Sprachen lernen.
Du lernst die Sprache zu sprechen, bevor du die Grammatikregeln kennst.
Das passierte zumindest mit deiner Muttersprache.
Kinder lernen die Grammatik ihrer Sprache erst, wenn sie bereits gut sprechen können.
Sie wenden Grammatikstrukturen korrekt an, ohne zu wissen was ein Verb oder ein Adjektiv ist.
Die Analyse der Sprache kommt erst später und hilft, eventuelle Fehler zu beheben und sich stilistisch schöner auszudrücken.
In der Musik ist es ähnlich. Wir lernen nicht flüssig und frei Gitarre zu spielen, in dem wir Musiktheorie Regeln pauken bis uns schlecht wird.
Weil, reden wir nicht drumherum, Musiktheorie kann sehr trocken, abstrakt und langweilig sein.
Aber, Musiktheorie festigt und stärkt das, was wir schon wissen und können.
Sie beantwortet Fragen wie:
«Wieso klingen diese beiden Akkorde so schön zusammen?»
«Wieso klingt diese Melodie so traurig?»
Praxis vs. Musiktheorie auf der Gitarre
Was hat nun das alles mit der kurzen Entführer Geschichte zu Beginn zu tun?
Du könntest deinem Entführer die ganze Technik hinter der Gitarre penibel erklären.
Wie ist sie gebaut? Wie und wo kommt der Sound heraus?
Wahrscheinlich wird er dich jedoch blöd anstarren und dich nicht freilassen, da er immer noch keine Ahnung hat, was eine Gitarre ist.
Oder du kannst ihm einfach mal was vorspielen, damit er hört, wie sie klingt und deine Hände diese komischen geometrischen Formen auf dem Griffbrett darstellen.
Du könntest sogar ihn selbst ranlassen, damit er aus erster Hand erfährt, wie es sich anfühlt, wenn man die Saiten anschlägt.
Im Anschluss daran fragt der Entführer dich womöglich noch, wie das nun funktioniert.
Das wäre dann der passende Zeitpunkt, ihm die Theorie zu erklären.
Da er die Gitarre selbst ausprobiert hat, kann er die Theorie mit der Praxis verbinden.
Das wird ihm so viele Aha Momente bescheren, wie an Weihnachten und Ostern zusammen.
Diese Momente wären nie passiert, wenn du ihm von Beginn an nur die Theorie erklärt hättest.
Er hätte eher ein WTF Moment gehabt.
Musiktheorie ist wie eine Stadtkarte.
Du kannst die ganze Karte auswendig lernen.
Aber, wenn du noch nie in dieser Stadt warst, dann ist sie so nützlich, wie ein Kühlschrank in der Antarktis.
Musiktheorie erklärt uns, was wir schon kennen, können und wissen.
Muss ich nun Musiktheorie lernen?
Also, Musiktheorie ja oder nein?
Du brauchst keine Musiktheorie, um Gitarre zu spielen.
Aber sobald du wissen möchtest, was du die ganze Zeit tust, dann stellt sich nicht die Frage ob, sondern wann du Musiktheorie lernen solltest.
Der beste Weg dazu, ist die ganze Stadt (= einen Song) zunächst selbst zu erkunden.
Und erst danach die Karte (= Musiktheorie) zu zücken.
Starte immer mit dem Sound, mit einem Song.
Analysiere ihn dann mit Hilfe der Musiktheorie. Denn nur so kann dir wirklich ein Licht aufgehen.
So lernst du auch die Theorie, die für dich wirklich relevant ist.
Und wage es ja nicht Musiktheorie isoliert ohne Gitarre zu lernen. Es wäre, als ob du Fahrradfahren lernen würdest, ohne Fahrrad unter dem Popo.
Wie ist dein Verhältnis zur Musiktheorie auf deiner Gitarre? Schreib mir gerne deine Erfahrungen in die Kommentare.
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