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7 Lügen, die dich vom Improvisieren auf der Gitarre abhalten

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Neulich beim Familientreff: “Entweder hast du diese Gene, oder du hast sie nicht”.

Nein, es ging nicht um das ewige Leben.

Es ging darum, wie Musiker es schaffen auf der Bühne eine mitreißende Improvisation auf der Gitarre aus den Fingern zu zaubern.

“Wenn du keine Musik im Blut hast, hast du keine Chance”, kam noch aus der Küche hinterher gerufen.

Seit ich angefangen habe Gitarre zu spielen, höre ich ständig solche Pinocchio Sprüche, wenn es um das Improvisieren geht. 

Ich möchte dich davor bewahren. Denn es sind die reinsten Motivationsrauber, vor allem wenn du noch nicht viel Erfahrung auf dem Instrument hast. 

Darum entlarve ich heute für dich die 7 grössten Lügen über das Improvisieren auf der Gitarre. 

Lüge 1: Entweder du kannst es oder du kannst es nicht

Talent ist die Ausrede der Faulen. Punkt.

Weisst du was? Es gibt talentierte Menschen. Doch auch talentierte Menschen müssen sich den Erfolg freischaufeln. 

Wie? Mit harter Arbeit. 

Talent ist die 1, aber Fleiß sind die Nullen hinter der Eins.

Kennst du die Geschichte vom Hasen und der Schildkröte, die ein Rennen veranstalteten?

Wer gewann am Ende? Die Schildkröte. Weil sie nicht aufgab und einen Schritt nach dem anderen ging.

Auf der Gitarre improvisieren zu können ist nicht etwas, das nur einem privilegierten Kreis vorenthalten ist. Die Improvisation will gelernt sein. Wie alles andere, was du auf der Gitarre meistern möchtest. 

Natürliche Begabung gibt dir zu Beginn einen kleinen Vorsprung. 

Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen bringen dich aber zum Ziel.

Lüge 2: Improvisationen sind improvisiert

Glaubst du an den Osterhasen?

Nein? 

Dann solltest du auch aufhören zu glauben, dass Improvisationen völlig unvorbereitet aus dem Stegreif gespielt werden.

Improvisationen entstehen nicht aus dem Nichts. 

Improvisation ist die beschleunigte Komposition und das künstlerische Zusammenfügen von Dingen, die du schon kannst.

John Scofield

Beim Improvisieren erfindest du nicht etwas völlig Neues und Originelles. Du wendest dein bestehendes musikalisches Vokabular an und verbindest es so, dass es gut klingt und Sinn macht. 

Um auf deiner Gitarre zu Improvisieren brauchst du Zutaten. 

In Form von Ideen, Licks, Melodien, Akkorden und Akkordverbindungen.

Deine Improvisation ist dann dein zubereitetes Gericht.

Am Besten hörst du dir an, was ein gewisser Herr Clapton dazu zu sagen hat:

Ab Minute 03:12 bis 03:47 geht es um das Improvisieren.

Lüge 3: Du musst hunderte Solos lernen

Es gibt nicht eine vordefinierte Anzahl von Solos, die du lernen musst. 

Quantität ist nicht deine Priorität. 

Vor langer Zeit wollte mein damaliger Coach, dass ich das Intro von Shine on you Crazy Diamond nach Gehör lerne

Ich habe einen Monat daran gearbeitet. 

Ich habe versucht so viele Details wie möglich rauszuhören und auf meiner Gitarre wiederzugeben. 

Phrasierungstechniken, Sound, Sprache usw.

Und das allerwichtigste dabei: Ich begann diese Licks in verschiedenen anderen Kontexten anzuwenden. 

Also die Integration in anderen Tonarten des Gelernten über verschiedene Backing Tracks.

Du kannst aus einem einzigen Solo unzählige Ideen für deine eigenen Improvisationen melken.

Darum: Ein gründlich gelerntes, analysiertes und in dein Spiel integriertes Solo bringt dir immer mehr als 10 einfach nur auswendig gelernte Solos.

Dein Gehör, dein musikalisches Vokabular und deine allgemeine Musikalität werden dir dankbar sein.

Lüge 4: Du musst dutzende Tonleitern kennen

Wir leben in einer Informationsgesellschaft. 

Jeder kann sich in Sekundenschnelle irgendwelche Ratgeber, Videos und Tipps aus dem Netz holen.

“Lerne diese exotische Skala in 5 Minuten”.

“Lerne diese Tonleiter, um wie dieser Typ zu klingen”.

Viele Tipps sind gut gemeint, sorgen aber je länger, je mehr für Verwirrung.

Beobachte mal genau, wie viele Tonleitern deine Idole beim Improvisieren benutzen.

Wie viele hast du gezählt?

Ich behaupte, im Schnitt kommst du auf zwei.

Im Grunde reicht bereits eine.

Es gibt Künstler, die darauf eine ganze Karriere aufgebaut haben.

Ich spreche von der Pentatonik. Du kannst damit so viel rausholen. 

Verirre dich nicht im Tonleiter-Wald. 

Spiele diese wenigen Töne mit Leidenschaft und du wirst gefeiert.

Lüge 5: Du musst genau wissen, was du tust (auch bekannt als “es muss perfekt klingen”)

Lüge Nummer 4 handelte von Tonleitern.

Um genau zu sein, musst du nicht einmal wissen mit welcher Tonleiter du gerade improvisierst.

“Zuerst spiele ich es und erst später sage ich dir wie es heisst“ 

Miles Davis

Damit meint er (unter anderem), dass du nicht in Tonleitern denken solltest, wenn du auf der Gitarre improvisierst.

Diese Denkweise würde dich einschränken. Spiele was immer du in deinem musikalischen Kopf findest und habe keine Angst neue Wege zu gehen.

Genauigkeit, Perfektion und Tonleiter-Käfige haben beim Improvisieren nichts verloren.

Du willst die Herzen deiner Hörer erreichen. Wenn du dich zu stark darauf konzentrierst die “richtigen” Noten zu treffen, dann leidet die Leidenschaft und der Ausdruck.

Es gibt kein “richtig” oder “falsch” beim Improvisieren. 

Sei kreativ und lass dich von der Musik leiten, nicht von deinen Fingern.

Lüge 6: Du musst zuerst die Lagerfeuer-Akkorde beherrschen 

Wieso 99,999% der angehenden Gitarristen zunächst monate- oder gar jahrelang sich ausschliesslich den offenen Akkorden widmen, ist mir rätselhafter als das Bermuda Dreieck.

Die Reihenfolge sieht dann so aus: 

Beherrsche zuerst mal die Lagerfeuer-Akkorde, also C-Dur, E-Moll, A-Dur, D-Dur und die anderen üblichen Verdächtigen.

Danach “darfst” du dich an das Improvisieren wagen und dir coole Phrasierungs-Techniken aneignen.

Der Grund dahinter scheint logisch.

Mit den offenen Akkorden kannst du jedes erdenkliche Lied begleiten. 

So habe ich auch begonnen. 

Erst nach gut einem Jahr habe ich angefangen mich auch der Leadgitarre und dem Improvisieren zu widmen.

Ich wusste es einfach nicht besser. Internet steckte noch in den Kinderschuhen.

Was spricht eigentlich gegen das Improvisieren von Tag eins? 

Klar, du wirst noch keine hitreife Melodien raushauen. Denn du baust dein Vokabular ja erst auf.

Aber je eher du beginnst (eigene) Musik zu machen, desto besser.

So trainierst du nicht nur deine Technik, sondern direkt auch dein Gehör und deine Kreativität. 

Denn auch wenn du noch nie improvisiert hast, merkst du schnell welche Töne gut zueinander passen. 

Lüge 7: Du musst in verschiedenen Stilrichtungen improvisieren können

Es gibt sie.

Die Gitarristen, die sich in jedem erdenklichen Genre zu Hause fühlen. Sie können plötzlich mühelos vom Dixie Jazz in den düstersten Doom Metal wechseln.

Aber du bist du. 

Wenn der Blues das ist, was du liebst, dann übe auf Blues Songs zu improvisieren.

Würdest du von B.B. King eine Flamenco Improvisation verlangen an seinem Konzert?

Dachte ich mir.

Fühl dich nicht unter Druck gesetzt etwas zu tun nur weil jemand anders es macht.

Hab keine Angst

Wir haben nun die 7 heimtückischten Lügen aufgedeckt, die einem Gitarristen Angst vor dem Improvisieren machen können.

Lass dich von diesen Lügen, verkleidet als Wahrheiten, nicht wieder einholen.

Das Improvisieren ist ist eine Reise. Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Mache jetzt einen Schritt nach dem anderen.

Höre niemals auf, auf deiner geliebten Gitarre zu improvisieren. Du kannst dabei nur gewinnen.

Kennst du noch weitere Lügen? Dann rein damit in den Kommentaren.

Dein Gitarrenjunkie Moreno

Hier kannst du dir den Artikel als Podcast anhören.

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