Hey, ich hab gehört, dass ich mir ein musikalisches Vokabular aufbauen sollte, damit ich frei spielen und improvisieren kann.
Ja, das stimmt. Ohne Input keinen Output.
Na dann nichts leichter als das. Ich lerne jetzt einfach 300 Licks auf der Gitarre auswendig und nichts kann mich mehr aufhalten.
Ich werde sie alle beim Improvisieren anwenden, alle!
Hahahahaha… *verschluckt sich dabei fast*
Halt mal, ich glaube du hast etwas falsch verstanden.
Vor Jahren dachte ich dasselbe.
Ich dachte, es würde reichen einfach mal ein paar coole Licks und Phrasen zu lernen und dann kommt beim Improvisieren alles von selbst.
Fehlanzeige: Alle diese Licks nacheinander gespielt, klangen wie der Turm des Spiels Jenga, wenn er zusammenfällt: Ein totales Durcheinannder!
Ich konnte zwar die Licks spielen, aber sie passten nicht wirklich zum musikalischen Kontext.
Sie hatten keinen Zusammenhang, als ob ich beim Sprechen sagen würde:
Ich heisse Moreno. Der Euro hat an Wert verloren. Argentinien ist Weltmeister.
Ich sage ja immer, dass du die Melodien, die Riffs, alles, was du lernst zu deinem Eigentum machen solltest.
Denn nur so wirst du sie wirklich in dein Spiel anwenden können.
In diesem Artikel erkläre ich dir, wie ich vorgehe, um ein Lick auf der Gitarre effektiv zu lernen, damit ich es in verschiedenen musikalischen Kontexten anwenden kann.
Los geht’s!
Wie du ein «fremdes» Lick zu «deinem» Lick machst
Nehmen wir als Beispiel ein Santana Lick, das ich letzhin gehört und für cool befunden habe.
1) Lick dutzende Male anhören
Höre dir das Lick solange an, bis du es auswendig nachsummen kannst.
2) Lerne das Lick nach Gehör
Versuche die Phrase so gut es geht herauszuhören und auf der Gitarre nach Gehör nachzuspielen.
3) Fingerbewegung einprägen
Sobald du die Töne auf dem Griffbrett gefunden hast, präge dir die Fingerbewegungen ein.
Suche den für dich richtigen, effizientesten und bequemsten Weg aus, um das Lick auf der Gitarre zu spielen.
Du musst in diesem Schritt das Lick buchstäblich in die Finger kriegen, damit du es ohne Anstrengung spielen kannst.
Das Metronom ist hierbei dein bester Freund, um es zum gewünschten Tempo zu bringen.
4) Verwandle dich in ein Detektiv
Versuche zu verstehen, welche Konzepte hinter dem Lick stehen.
Gib den Dingen einen Namen.
Musiktheorie hilft dir alles zu beschreiben, was im Lick gerade passiert.
Was kannst du in unserem Beispiel herausfinden?
Die Tonart des Songs, aus dem das Lick stammt ist B Moll. Das ist bereits ein grosser Hinweis.
Nehmen wir jetzt die ersten drei Töne der Phrase, denn sie sind für mich die prägendsten.
Wenn du jetzt diesen Tonabständen bzw. Intervallen nacheinander einen Namen gibst, dann sind das:
- Grundton
- Kleine Terz
- Quinte
Und wenn du weisst, wie ein Dreiklang aufgebaut ist, dann kannst du daraus folgern, dass wir hier die drei Töne eines B Moll Dreiklangs haben:
- B (Grundton)
- D (Kleine Terz)
- F# (Quinte)
Santana spielt hier also ein B Moll Arpeggio.
Cool, halten wir fest: Dieses Lick kannst du allgmein zu einer Akkordfolge in Moll spielen.
Weiter investigative Fragen, die du dir zum gesamten Lick stellen könntest, lauten:
- Wie würde ich das Lick in Dur spielen?
- Auf welcher Zählzeit beginnt und endet die Phrase?
- Wird es straight, laid-back, mit Swing Feel oder doch anders gespielt?
Du kannst so tief graben, wie du nur möchtest.
5) Spiele das Lick an anderen Orten
Gehe nun zurück in den Entdeckermodus und versuche das Lick an anderen Orten des Griffbretts zu spielen. Immer noch in B Moll.
Ah, falls es noch nicht klar sein sollte: Finde die anderen Stellen nach Gehör.
Du möchtest dich ja nicht nur auf eine einzige Position fixieren und frei wie ein Vogel über’s ganze Griffbrett spielen können. 😉
Der Sound, der an den verschiedenen Stellen des Griffbretts herauskommt, ist ja auch immer ein wenig anders.
6) Spiele das Lick in anderen Tonarten
Als nächstes verlässt du die Ursprungstonart (in unserem Beispiel B Moll) und beginnst das Lick in beliebigen anderen Tonarten auf dem Griffbrett verteilt zu spielen.
Du kannst ja diese Griffbilder ziemlich schnell in andere Tonarten einfach verschieben.
7) Werde neuer Eigentümer des Licks
Suche einen Backingtrack in einer Tonart, die nicht dieselbe des Originals ist.
Wende den Lick so an, dass er zum neuen musikalischen Kontext passt.
Du musst in also sehr wahrscheinlich rhythmisch anders spielen, ihn eventuell kürzen, damit er da rein passt.
Manchmal kann es vorkommen, dass er gar nicht in neue musikalische Situationen passt. Das wäre dann auch eine wertvolle Erkenntnis.
Du schaltest jetzt dein kreatives Zentrum ein. Und probierst ausgegend vom Lick neue Dinge aus. Du spielst das Lick und dazwischen spielst du ganz andere Phrasen. Du kommst aber immer wieder auf das Ursprungslick (oder deren Varianten) zurück.
Aus dem Santana Lick wird langsam aber sicher ein (dein Name) Lick.
Wechsle imme wieder die Tonart und das Genre des Backingtracks.
Hier hörst du nun zwei Beiepiele von mir in A Moll und in Fis Moll.
In dieser Phase ist es völlig egal, wie gut du klingst und spielst.
Es geht darum, dass du experimentierst und beim Experimentieren klingt halt nicht immer alles super.
Du klaust, du experimentierst damit und langsam entsteht dein eigenes Ding. Das ist ein jahrhundertaltes Vorgehen.
Auch Santana selbst ist nicht eines Morgens aufgestanden und konnte aus dem Nichts diese Phrase spielen. Auch er liess sich inspirieren und musste dieses Lick auf der Gitarre zuerst mal lernen
Das Anwenden der Phrase in verschiedenen Tonarten und Kontexten ist der Schlüssel. Nicht ein oder zweimal versuchen und dann fertig, sondern immer wieder damit spielen.
Jetzt bist du dran! Wirst du diesem Vorgehen, um auf der Gitarre ein Lick richtig zu lernen, eine Chance geben? Schreib mir in den Kommentaren, ob es dich weitergebracht hat.
Hier geht’s weiter
7 Lügen, die dich vom Improvisieren abhalten