„Die kennen mich besser als meine Katzen! Die listen ja alle meine Fehler auf.“
Das denke ich heute rückblickend, wenn ich Artikel über wie man nicht Gitarre lernen soll lese.
Ja, meine Fehlersammlung ist gross.
Meine Lernerfolge sind jedoch mindestens so gross.
Denn meine Fehler beim Gitarre lernen haben mich mit unbezahlbaren Erkenntnissen beschert.
Diese Ratschläge möchte ich dir mit auf den Weg geben. Ratschläge, die deine Nerven und deine Zeit schonen werden.
Bühne frei für meine dümmsten Fehler, die ich beim Gitarre lernen gemacht habe.
1) Ich habe meinen Ohren nicht getraut
Wie hast du deine Muttersprache gelernt?
Du hast jahrelang deinen Eltern und Mitmenschen zugehört.
Erst viel später hast du mit dem Lesen begonnen.
Gitarre zu lernen ist ähnlich.
Was habe ich die ganze Zeit gemacht?
10% gehört und 90% Tabs gelesen.
Ich habe die Gitarre vor allem visuell gelernt.
Das Lickbeispiel einige Male angehört und dann sofort nach den Tabs oder dem Vorzeige-Video gegriffen
Wo muss ich jetzt meine Finger hinstellen?
Tabs, Tabs und noch mehr Tabs.
Klar, Griffbrett-Visualisierung und -Orientierung ist wichtig.
Aber der erste Schritt ist immer das Ohr.
Wieso wird man in keinem Lehrbuch und Kurs und auch nicht beim Lehrer darauf hingewiesen?
Im Nachhinein kann ich sagen: Mein Gehör nicht schon früher zu trainieren war mein größter Fehler.
Integriere so früh wie möglich das Heraushören von einfachen Melodien und Riffs in dein Übeplan.
Der beste Moment, damit anzufangen war an Tag eins deiner Gitarrenreise. Der zweitbeste Moment ist jetzt.
Du wirst so von Tabs und Noten unabhängig(er) und du klingst langfristig auf jeden Fall musikalischer als alle anderen, die nur ihre Augen beim Lernen einsetzen.
2) Zu wenig und zu viel Struktur
Es ist zum Haare raufen.
Einerseits bearbeitete mich die “roter Faden Fraktion” damit, dass ich nur mit einem sauber strukturierten Schritt für Schritt Plan in den Gitarren Olymp aufsteigen könne.
Gleichzeitig wuchs die Menge an zufälligen Lehrvideos und Tutorials auf Youtube, wo ich mir jeden Tag etwas Interessantes herauspicken konnte, ins Unermessliche.
Ich war vollwertiges Mitglied beider Fraktionen.
Und weißt du was?
Beide Extreme sind schei#%*
Es gibt nicht «den» roten Faden, der für alle Gitarristen der Erde funktioniert.
So wie es sehr unwahrscheinlich ist, dass du ohne ein Minimum an Struktur deine Ziele in vernünftiger Zeit überhaupt erreichen wirst.
Was nun?
Dein Übeplan sollte auf deine persönlichen Ziele ausgerichtet sein (Struktur), aber auch genauso viel Platz für Ungeplantes und Neues zulassen.
Zu viel Struktur tötet die Lust und engt dich ein.
Zu wenig oder keine Struktur bringt dich nicht ans gewünschte Ziel.
Es lebe der strukturierte Spass.
3) Ich habe Dinge geübt, die ich nicht wollte
Ich möchte Gitarre spielen. Punkt.
So schnappte ich mir Bücher und Kurse, die vorgeben was zu tun ist.
Ich hatte einige Lehrbücher, die mir Sweep Picking als unverzichtbare Technik für Rock Solos verklickerten.
Ich habe ihnen natürlich geglaubt und ohne zu hinterfragen geübt.
Bis ich wie aus einem Alptraum nass erwachte : “Die Musik, die ich spielen möchte beinhaltet ja gar kein Sweep Picking. Wieso soll ich das lernen?”
Das gleiche geschah mit irgendwelchen Volksliedern, die ich im Fingerstyle spielen sollte.
Dass ich diese Dinge nicht wollte, habe ich erst später gemerkt.
Es ist der Motivationskiller Nummer eins.
Übe niemals Dinge, die nicht das Feuer in dir entfachen.
4) Ich habe die Eichhörnchen Methode angewendet
Oh, da läuft gerade ein Eichhörnchen, warte mal kurz.
Und so wurde aus dem “kurz” eine halbe Stunde.
Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist seit Jahren im Sinkflug.
Übrigens, ein dickes Lob von mir, dass du immer noch an diesem Artikel dran bist.
Als ich mit dem Gitarre lernen angefangen habe, waren die Möglichkeiten überschaubar.
Seit dem Online Boom, ist die Gefahr in derselben Übe-Session von einem Video zum anderen zu hüpfen, immens gestiegen.
Die Ablenkung ist nur ein Klick entfernt.
Und das ist nur der erste Teil der Eichhörnchen Methode.
Wusstest du, dass Eichhörnchen Meister im Hamstern sind?
Auch Gitarristen wie du und ich gehören dazu.
In meinen Playlists und Festplatten schlummern hunderte Videos und Tutorials, die ich entweder nie fertig gebracht, oder nie angeschaut habe.
Vergiss die putzigen Eichhörnchen.
Was du brauchst ist Fokus auf das Wesentliche. Wie ein Luchs (der sehr genau hinhört) und ein Adler (der sehr genau hinsieht).
Wenn du übst, schalte alle potentiellen Aufmerksamkeits-Räuber aus.
5) Ich war mein größter Hater
Eines der traurigsten Dinge im Leben ist, dass ein Mensch viele gute Taten tun muss, um zu beweisen, dass er tüchtig ist, aber nur einen Fehler zu begehen braucht, um zu beweisen, dass er nichts taugt.
George Bernard Shaw
“Nein, G-Dur klingt noch unsauber, ich muss das zuerst können, erst danach kann ich einen Schritt weiter gehen.”
“Spinnst du? Ich kann mich doch nicht aufnehmen, ich klinge doch wie ein Haufen Hühnerkacke.”
“Mit meinen Kumpels eine Band gründen? Never, da blamiere ich mich doch.”
“Ich klinge immer noch nicht wie Santana, wenn ich Oye Como Va spiele. Irgendwas mache ich falsch.”
So sahen meine inneren Dialoge aus.
Wenn wir nur mit unserer Selbstkritik so umgehen würden, wie mit einem fremden Hater, dann wäre die Gitarrenwelt um einige geile Gitarristen reicher.
Ja, wir haben alle Tage, an denen alles schief läuft.
Trotzdem, lobe und liebe dich selbst. Täglich.
Dein Mindset entscheidet, ob du deine Ziele erreichen wirst oder nicht.
6) Ich war ein Workaholic
Um etwas zu meistern musst du mindestens 10’000 Stunden üben.
Diese Weisheit war fest in in meinem Kopf verankert, als ich meine erste Gitarre kaufte.
Da ich bereits 22 war, hatte ich das Gefühl die verlorene Zeit aufholen zu müssen.
So übte ich während eines Jahres wie ein Besessener bis zu 4 Stunden täglich, morgens und abends, 7 Tage die Woche.
Was kam dabei raus?
Ein halber Nervenzusammenbruch. Ich wollte mit dem Gitarre lernen aufhören.
Es könnte dich überraschen, aber eines der Geheimnisse deines Fortschritts sind Pausen.
Du musst deinem Gehirn regelmäßig und genügend Verschnaufpausen gönnen.
Denn es braucht Ruhephasen, um das Gelernte zu speichern, verarbeiten und zu verknüpfen.
Versuchs mal: Fasse zwei Tage lang deine Gitarre nicht an.
Am dritten Tag spielst du, was du vorher wochenlang geübt hast. Na hast du etwas bemerkt?
Meistens gelingen dann plötzlich Dinge, die vor zwei Tagen noch unmöglich schienen.
It’s a kind of magic.
7) Ich habe (nur) starre Schablonen benutzt
Akkorde, Tonleitern, Schlagmuster.
Für alles kriegst du Anleitungen, welche Finger du benutzen und wie du deine Hand bewegen solltest.
Als Anfänger machst du es einfach nach.
Hier ist der Haken:
Sobald du zum Beispiel Songs der grossen Künstler nachspielen willst, merkst du, dass der Rhythmus Part doch nicht so starr und schematisch ist.
Das Schlagmuster kann sich immer wieder ändern.
David Gilmour, Neil Young, Prince und viele mehr benutzen im selben Song gerne individuelle Strums. Mal so, mal so.
Diese Strums lassen sich nicht einfach mit deiner erlernten Schablone abdecken.
Lerne die Schablonen und vergiss sie wieder.
8) Ich habe das Kind in mir unterdrückt
Was wollen wir?
Gitarre spielen!
Was tun wir?
Alles andere!
Wieso müssen Erwachsene immer alles so ernst und verbissen sehen?
Es heisst nicht umsonst das Gitarrespielen.
Ich habe die Improvisation und Kreativität sehr lange links liegen gelassen.
Nimm einfach mal deine Gitarre und experimentiere ohne Plan.
Nimm einen Akkord, entferne oder füge einen Finger hinzu und höre wie es klingt.
Spiele eine Note und suche die nächste Note, die dazu gut klingt.
Einfach so. Spiel mit deiner Gitarre wie du früher Lego gespielt hast.
9) Keine ganzen Songs gelernt
Hätte ich eine Zeitmaschine, würde ich heute noch zurückreisen.
Es ist der Fehler beim Lernen der Gitarre, den ich am meisten bereue.
Hier ein Riff, da einen Refrain, dort eine Strophe.
Ich hatte wie Dr. Frankenstein ein Monster erschaffen.
Ich wollte Gitarre lernen, um irgendwann (eigene) Lieder zu spielen.
Aber ich konnte bis zum dritten Jahr kein Lied von Anfang bis Ende durchspielen.
Anstatt einfach mal drei ganze Lieder zu lernen, hüpfte ich zwischen zehn Liedern hin und her und lernte die für mich einfachen Teile.
Die schwierigen Passagen ließ ich gekonnt aus.
Das führt mich direkt zum nächsten Fehler.
10) Zu einfache Dinge geübt
Wir brauchen auf jeden Fall einfache Dinge, weil sie uns mit Motivation beglücken.
Ein schneller Erfolg pumpt unser Ego auf, wie die Bizeps eines Bodybuilders.
Aber jetzt kommt’s:
Fortschritt passiert nie in deiner Komfortzone. Um zu wachsen, musst du sie verlassen.
Sprich: Du solltest Dinge üben, die du noch nicht kannst.
Schnapp dir einen Song, den du nur häppchenweise kannst und versuche ihn ganz zu lernen.
“Aber das ist doch viel zu schwer!”
Eben! Darum! Heute, morgen und übermorgen scheint es noch unmöglich. Wenn du aber dran bleibst wirst du durch diese neuen Dinge automatisch zu einem besseren Gitarristen, weil du dir neue Fähigkeiten drauf geschafft hast.
Versprochen.
11) Anspannung bis das Seil reißt
Hast du jemals einen verkrampften Profi Gitarristen gesehen?
Ich gebe zu, diesen Fehler mache ich manchmal immer noch.
Ich verkrampfe Muskeln, die ich nicht mal wusste sie zu haben.
Eines Tages fragte ich mich, wieso ich so angespannt an das Üben und Spielen gehe.
Ich fand zwei Antworten.
Erstens, ist es die “Angst” etwas falsch zu spielen.
Zweitens, ist es die Geschwindigkeit.
Was kannst du dagegen tun?
Deine Gefühlslage entscheidet, wie du die Gitarre behandelst. Versuche dich mit Dehn- und Atemübungen zu entspannen, bevor du die Gitarre in die Hand nimmst.
Denk daran, es ist ein Spiel, kein Wettbewerb.
Gewöhne dir auch an, immer wieder blind zu üben. Schliess die Augen und übe einen Lick oder eine Passage ohne auf das Griffbrett zu schauen.
Ach hja, da war auch noch die Geschwindigkeit. Nur nichts überstürzen.
Finde immer zuerst das schnellste Tempo heraus, mit dem du etwas locker ohne Verkrampfung einige Male nacheinander korrekt spielen kannst. Dann reduziere das Tempo und übe ganz entspannt.
Schnelligkeit ist das Nebenprodukt von Genauigkeit und Entspannung.
12) Nur der Gitarre zuhören
Die häufigste Krankheit eines Gitarristen?
Nein, nicht die Sehnenscheidenentzündung.
Sondern, die anderen Instrumente ignorieren.
Wir Gitarristen tendieren ein wenig zum Größenwahn. Wir verhalten uns, als ob es in einem Rock Song nur E-Gitarren gäbe.
Dabei ist der Rhythmus die Wurzel jedes Stückes.
Merke: Bevor du beginnst dir einen neuen Lick oder Song anzueignen, höre, bitte, immer, zuerst, dem, Schlagzeug, und, dem, Bass, zu.
Groove dich ein. Klatsche mit. Fühle es.
Am Ende des Tages interessiert es niemanden, ob du etwas “sauber” spielen kannst, wenn du nicht im Rhythmus spielst.
PS: Es ist ein Fehler, zu erwarten, dass alles immer nach Plan läuft (das wäre dann Fehler Nummer 13). 😉
Fehler sind immer zu verzeihen, wenn man den Mut hat diese auch zuzugeben
Bruce Lee
Los, sei jetzt mutig und beichte mir hier unten in den Kommentaren deine Fehler beim Gitarre lernen.
Dein Gitarrenjunkie Moreno
Vielen Dank für diesen Beitrag zu deinen Fehlern beim Gitarrenunterricht. Es stimmt, dass man keine Techniken lernen sollte, die man für seine Musikrichtung eh nicht braucht, da dies die Motivation einschränken kann. Ich werde die Tipps beherzigen, wenn ich nächstes Jahr auch endlich mit dem Gitarrenunterricht beginnen werde.
Hallo Sandra. Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich wünsche dir schon mal gutes Gelingen und viel Freude für nächstes Jahr mit dem Unterricht. Würde mich freuen zu hören, wie es dir dabei geht.
Hallo Moreno,
auch nach 2 Jahren Unterricht habe ich immer noch folgende Probleme:
-Ich kann das Geübte im Unterricht nicht abrufen. Obwohl ich täglich 30 – 60 min übe 🙁
-Beim Zupfen zittern mir regelmäßig die Finger 🙁
Herzliche Grüße
Iris
Hallo Iris
Vielen Dank für das Teilen deiner Schwierigkeiten.
Hast du schon mal beobachtet, wann genau die Probleme auftreten und was du für Gedanken du in diesen Momenten hast?
Aus der Ferne natürlich nicht einfach zu sagen, aber es könnte sein. dass du es «zu sehr versuchst» und du dadurch verkrampfst und erstarrst. Gib dir die Erlaubnis etwas falsch zu spielen, damit lösen sich viele Blockaden. Sag Bescheid, falls du weitere Unterstützung brauchst.
Liebe Grüsse
Moreno
Ha ha.. ich fühle mich bei jedem einzelnen Wort ertappt! :-))
Vielen Dank für den Spaß und die gleichzeitige Hilfe!
Vielleicht sollte man sich oder die ‹Sache› nicht immer allzu ernst nehmen, sondern wirklich mehr die Freude am Machen und sich Entwickeln genießen.
Liebe Grüße vom Eichhörnchen Mäuse 😀
Hallo! Danke dir für deinen Kommentar. Du sagst es, ein Hobby soll doch in erster Linie Freude bereiten und der Seele gut tun. 😉
Lieber Gruss zurück!