Wie kann man nur?
Wie kann man nur sagen, dass Clapton Gott ist?
So zierte eine Mauer mitte der Sechziger, mitten in London, mitten in den Swinging Sixties.
Bis vor einigen Jahren konnte ich nicht viel von ihm abgewinnen. Irgendwie klang er in meinen Ohren nicht eigenständig genug, schon fast banal.
Das änderte sich, als ich vor Kurzem bei seinen Live-Auftritten genau hinhörte und hinguckte, was er eigentlich auf seiner Klampfe tut.
Facettenreich und doch immer dem Blues treu geblieben. Eric Clapton ist Schöpfer von vielen Stücken, die heute getrost als Klassiker gelten.
Slowhand, wie er liebevoll genannt wird (hat übrigens nichts mit seiner Spielgeschwindigkeit zu tun), ist der einzige mit drei Einträgen in der Rock & Roll Hall of Fame: Ein Mal mit den Yardbirds, mit Cream und als Solokünstler.
Aber genug mit Lobeshymnen.
Schauen wir uns lieber an, was du von der Spielweise von Eric Clapton mitnehmen kannst. Denn es gibt einige Dinge, die er immer wieder macht und sein Spiel prägen.
1) Vibrato
Das Vibrato ist der Fingerabdruck jedes Gitarristen.
Der gute Eric macht da keine Ausnahme. Sein Vibrato ist einzigartig.
Die meisten Gitarristen benutzen den Zeige- oder den Ringfinger, um eines zu erzeugen.
Dabei bleibt der Daumen an den Hals geklammert und das Vibrato entsteht aus dem Handgelenk.
Clapton spielt sein weites und “schwebendes” Vibrato anders.
Den Ringfinger lässt er meistens links liegen, dafür benutzt er umso häufiger den Mittelfinger, um mehr Kraft zu haben.
Dazu lässt er den Klammergriff des Daumens los. Der Daumen ist dann sozusagen in einer Schwebe Position, da er fast keinen Kontakt zum Griffbrett hat.
Hier kannst du es sehr schön beobachten:
Und in diesem Beispiel als er noch mit den Bluesbreakers von John Mayall spielte, erkennst du sein weites Vibrato auch sehr gut.
Damit zeigt Clapton, dass es nicht nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch, auf der Gitarre gibt.
Das Vibrato ist deine Identitätskarte. Lass dich von den Grossen inspirieren und finde deinen eigenen Weg.
2) Wiederholungen
Ein weiteres Markenzeichen der Spielweise von Clapton, der den Blues in Großbritannien prägte, sind seine mitunter schnellen sich wiederholenden Patterns.
Mit Vorliebe nutzt er Triolen. Ta-ta-ta, ta-ta-ta, ta-ta-ta.
Wiederholungen bauen Spannung auf und zeigen, dass du genau weisst, was du tust.
Clapton kann dieses Konzept bis zum Exzess treiben.
Sieh dir dazu dieses Beispiel in der G-Moll Pentatonik aus I Shot the Sheriff an.
Oder dieses (selbes Lied, anderes Konzert):
Der folgende Lick aus einer Live Version von Layla (in der D-Moll Pentatonik), macht keine Ausnahme.
Um solche schnellere Licks zu üben, präge sie dir zunächst ganz langsam ein, am Besten ohne Metronom, und finde dann das schnellste Tempo heraus, mit dem du sie fehlerfrei und ohne Anspannung spielen kannst.
Übe danach mit Metronom, um sie auf die gewünschte Geschwindigkeit zu bringen.Teste immer wieder dein höchstes Tempo und versuche es zu durchbrechen.
3) Bendings ohne Vibrato
Alle: Oh, jetzt kommt ein Bending, ich muss noch ein Vibrato reinpacken, sonst klingt’s langweilig.
Clapton: Vibrato, hold my beer.
Wir Gitarristen neigen dazu, bei jeder mehr oder weniger ruhenden Note noch ein Vibrato dazu zupacken. Bei Bendings machen wir keine Ausnahme.
Der Grund? Womöglich, um eine schlechte Intonation des Bendings zu verstecken, oder weil wir den Ton nicht halten können. Oder schlicht, weil wir es so gelernt haben. Wer weiss das schon.
Dass Bendings auch ohne Vibrato geil klingen und sehr ausdrucksvoll sein können, zeigt uns hier Sir Clapton ganz schön.
4) Meister der Dynamik
Zunächst mal: Was ist eigentlich Dynamik in der Musik?
Dynamik beschreibt die Lautstärkeverhältnisse.
Spiele ich laut, wirkt es aggressiver. Spiele ich leiser, wirkt es sanfter.
Du kannst auch einzelne Töne und Akkorde mit Hilfe von Akzenten betonen.
Mit Dynamik erzeugst du Spannung in deiner Geschichte.
Höre dir dazu ein beliebiges End-Solo von Erics live Versionen von I Shot the Sheriff an.
Er beginnt immer leise und sanft und wird immer lauter und direkter bis zum explosionsartigen Finale.
Achte auch darauf, wie der Rest der Band ihn dynamisch begleitet.
Du sprichst ja auch nicht ständig in der gleichen Lautstärke. Manchmal wirst du lauter, manchmal betonst du bewusst einzelne Wörter.
Versuche dieses Prinzip in dein Gitarrenspiel zu integrieren.
Wetten, dass deine Solos und Improvisationen ab jetzt interessanter klingen werden?
5) Aus der reinen Moll Pentatonik ausbrechen
Steckst du ständig in der (Moll-)Pentatonik fest und hast keine Ahnung, wie du aus diesem Käfig entkommen sollst?
Dann kommt Clapton wie gerufen.
Man nehme einen Moll Pentatonik Fingersatz und erweitere ihn mit Noten aus der Dur Pentatonik oder der natürlichen Moll Tonleiter.
In Crossroads finden wir ein schönes Beispiel, wo Clapton A-Moll- und A-Dur-Pentatonik vermischt (bis 1:49)
In rot umkreist siehst du, die aus der Dur-Pentatonik “ausgeliehene” Note. Es handelt sich, um die grosse Terz. Er hämmert hier von der kleinen Terz auf die grosse.
Bitte mit Vorsicht geniessen: Die Vermischung von Dur- und Moll-Pentatonik funktioniert nur in bestimmten musikalischen Kontexten, wie zum Beispiel im Blues, welcher Töne aus beiden Welten beinhaltet.
Im nächsten Beispiel aus einer Live Version von I Shot the Sheriff, stammt der ausgeliehene Ton aus der natürlich Moll Tonleiter (bis Minute 01:07).
Es ist die grosse Sekunde, die er als Übergangston nutzt. Sie gibt dem Lick einen ganz bestimmten “Geschmack”.
Bonus 6) Der kleine Finger bleibt draussen
Last but not least: Schau dir Erics Finger seiner linken Hand beim Solieren ganz genau an.
Na, fällt dir was auf?
Er benutzt praktisch nie den kleinen Finger, dafür umso mehr den Mittelfinger. Ich behaupte, dass dies die Spielweise von Clapton beträchtlich beeinflusst.
Kanntest du bereits die Spielweise von Eric Clapton? Welche seiner Gewohnheiten willst du in dein Spiel integrieren?
Gib mir hier unten in den Kommentaren Bescheid.
Dein Gitarrenjunkie Moreno